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Podoljakas Wochenbericht Ukraine-Krieg: Russische Prominenz besucht schon Stadtmitte von Artjomowsk

Für die Woche vor dem 16. April macht der ukrainische Blogger Juri Podoljaka hauptsächlich zwei Zentren des Kampfgeschehens im Donbass aus: die Städte Awdejewka und Artjomowsk. Dabei geht es im einen Falle um Entlastungen für Donezk, im anderen um das Vorrücken der Wagner-Gruppe.

Am Fronabschnitt Donbass des Ukraine-Krieges hält der Journalist Juri Podoljaka für die Woche vom 10. bis zum 16. April 2023 zweierlei Veränderungen fest.

Die erste betrifft Awdejewka, die Trabantenstadt von Donezk, von der aus die Hauptstadt der gleichnamigen russischen Volksrepublik neun Jahre lang intensiv beschossen wird. Dort sei mittlerweile eine neue Taktik deutlich herauszulesen:

"Russlands Militär versucht nicht mehr, nach einer langen Phase der Luftangriffe oder der Artillerievorbereitung so tief wie die Lage zulässt durch die Frontlinie ins Hinterland des Gegners durchzubrechen. Stattdessen werden nach dieser Phase nur die vordersten Stellungen des Gegners eingenommen, dann befestigen sich die russischen Truppen dort."

Anschließend, eventuell nach der Abwehr etwaiger ukrainischer Gegenangriffe, werde nunmehr von diesen Stellungen aus die neue vorderste Linie der ukrainischen Kräfte angegriffen – auch dies wieder nach einer langen Phase der Luftangriffe oder der Artillerievorbereitung. In der nunmehr vergangenen, 15. Kalenderwoche sei bereits der dritte Angriff nach dieser Taktik erfolgreich durchgeführt worden, so der Militärbeobachter.

Die zweite Veränderung hat sich in der intensiv umkämpften Stadt Artjomowsk – am wichtigsten logistischen Knotenpunkt im Donbass und dem letzten dort noch unter Kiews Kontrolle befindlichen Knotenpunkte ereignet. Dort wurden Teile der Frontlinie aus der Verantwortung des russischen privaten Militärunternehmens Wagner in die des regulären russischen Militärs überführt. Die somit neu gruppierten Wagner-Sturmtrupps können somit effizienter eingesetzt werden – und machen damit gute Fortschritte vor allem in Artjomowsk selbst: Dort lässt es sich russische politische und andere Prominenz nicht nehmen, sich persönlich ein Bild von der Lage zu machen und nimmt davon Videomaterial auf, etwa das Oberhaupt der russischen Volksrepublik Donezk Denis Puschilin.

"Außerdem greifen Russlands Truppen recht erfolgreich in den südwestlichen Stadtteilen an. Somit verliert das ukrainische Truppenaufgebot in der Stadt Stellung um Stellung und trägt vor allem sehr große Verluste davon. Nach verschiedenen Schätzungen täglich bis zu 500 Mann."

Diese Zahl erfasst sowohl Tote als auch Verwundete in Artjomowsk und Umgebung. Die Versuche der ukrainischen Truppen, wieder zur Stadtmitte von Artjomowsk vorzudringen, hätten nur zu weiteren Verlusten an Personal und Stellungen geführt.

Dabei wirft Kiew nicht nur frisch rekrutierte und unerfahrene Soldaten an die Front, sondern setzt, wie Podoljaka betont, auch seine besten Einheiten in Artjomowsk ein. Allerdings würden die Wagner-Einheiten auch diesen ukrainischen Verbänden immer wieder Verluste beibringen.

"Am Frontabschnitt Charkow-Swatowo gibt es keine grundlegenden Veränderungen, schon die letzten Monate hindurch, obwohl ukrainische Truppen sich hier stellenweise an Gegenangriffen versuchten. Russische Einheiten halten dagegen und rücken langsam, aber sicher vor. Im Süden des Frontabschnitts Donbass toben heftige Gefechte um die letzten Viertel im Westen der Stadt Marinka, die noch unter der Kontrolle der Ukraine verbleiben. Mit deren Befreiung würde Russland hier gewissermaßen in die operative Freiheit durchbrechen. Denn die Stadt wurde in den letzten acht Jahren in eine wahre Festung verwandelt."

Juri Podoljaka ist ein ukrainischer politischer Blogger (auf Youtube hatte sein Kanal vor der Löschung durch die Verwaltung der Plattform 2,6 Millionen Abonnenten) und Journalist aus Sumy (er wohnt seit dem Jahr 2014 im russischen Sewastopol), dessen Einsichten im Zeitraum um den Beginn der Intervention in den russischen Medien zunehmend gefragter wurden. Seine Analyseausgaben warten mit nur wenigen Zahlen auf – dafür vermittelt er durch Arbeit mit Karten aber ein gutes Verständnis vom räumlichen Umfang der jeweiligen Entwicklungen und bietet dann und wann kurzfristige Prognosen.

An Quellen bemüht Podoljaka einerseits offen zugängliche Daten: Meldungen von Augenzeugen in den sozialen Medien sowie Meldungen des russischen, aber auch des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Andererseits gibt er Insiderquellen an: Neben solchen in den Volksmilizen und Sicherheitsorganen der russischen Volksrepubliken Donezk und Lugansk seien dies solche in den ukrainischen Sicherheits- und Regierungsbehörden, die er aufgrund alter Beziehungen aus der Zeit als ukrainischer Journalist noch zu unterhalten erklärt. Um es mit dem aktuellen Jargon der Aufklärungsdienste auszudrücken, ist Juri Podoljaka also vornehmlich ein OSINT-Analyst.

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