Europa

Borrell zur Weltlage: Europa ist ein Garten, die übrige Welt ein Dschungel

Am Donnerstag erklärte der hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, die aus seiner Sicht größten Probleme in der heutigen Außenpolitik. Die EU sei ein Garten – der größte Teil der übrigen Welt hingegen ein Dschungel, so Borrell.

Josep Borrell, der hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, erläuterte am Donnerstag die Probleme, mit denen die Außenpolitik der EU konfrontiert ist und welches Vorgehen sich daraus ableiten lässt. Anlässlich der Eröffnung der europäischen diplomatischen Akademie in Belgien zog er in einer Rede zur Thematik einen eher ungewöhnlichen Vergleich: Nach Ansicht Borrells sei die EU ein Garten – der Rest der Welt sei ein Dschungel, um den man sich kümmern müsse. Andernfalls drohe dieser den Garten zu "überwuchern". Wörtlich sagte er:

"Brügge ist hier ein gutes Beispiel für den europäischen Garten. Ja, Europa ist ein Garten. Wir haben einen Garten gebaut. Alles funktioniert. Es ist die beste Kombination aus politischer Freiheit, wirtschaftlichem Wohlstand und sozialem Zusammenhalt, die die Menschheit je erschaffen konnte – diese drei Dinge zusammen."

In Bezug auf den "Rest der Welt" erklärte Borrell:

"Der Rest der Welt […] ist nicht gerade ein Garten. Der größte Teil der übrigen Welt ist ein Dschungel, und der Dschungel könnte in den Garten eindringen. Die Gärtner sollten sich darum kümmern, aber sie werden den Garten nicht durch den Bau von Mauern schützen. Ein schöner kleiner Garten, der von hohen Mauern umgeben ist, um das Eindringen des Dschungels zu verhindern, wird keine Lösung sein. Denn der Dschungel hat eine starke Wachstumskapazität, und die Mauer wird nie hoch genug sein, um den Garten zu schützen."

Der Gärtner müsse "in den Dschungel gehen", so Borrell weiter, die Europäer müssten sich dementsprechend viel stärker für den Rest der Welt engagieren.

"Andernfalls wird der Rest der Welt in uns eindringen, und zwar auf unterschiedliche Art und Weise."

Durch den Krieg in der Ukraine verändere sich zudem auch die Europäische Union. Borrell meinte, es gebe Leute, die behaupten, dass dieser Krieg das Ende der Außenpolitik der EU bedeutet, weil man blindlings den Vereinigten Staaten folge. Er behauptete, dies sei jedoch nicht zutreffend:

"Aus meiner Sicht ist genau das Gegenteil der Fall: Dieser Krieg war eine Gelegenheit für die Europäische Union, selbstbewusster aufzutreten und auf die Schaffung eines europäischen Standpunkts zu drängen – sowohl in der Außenpolitik als auch in der Militär- und Verteidigungspolitik."

Borrell wies auch darauf hin, dass nicht nur Personen aus EU-Staaten bei der Eröffnung der diplomatischen Akademie vertreten seien, sondern auch solche aus Kandidatenländern wie Georgien, Moldawien, Ländern des Westbalkans und der Ukraine.

"Und ich denke, dass die Teilnahme von Menschen aus der Ukraine und anderen Kandidatenländern wichtig ist und eine gute Idee war – um über den Tellerrand zu schauen, um Menschen einzubinden, die noch nicht in der [Europäischen] Union sind, aber eines Tages in der Union sein werden. Denn sie werden eine entscheidende Rolle für die Zukunft der Europäischen Union spielen. Sie wird mit oder ohne die Ukraine nicht mehr dieselbe sein."

Der Chefdiplomat der EU zeigte sich weiterhin besorgt, dass sich etwa zwanzig Prozent der Staaten bei der Abstimmung der UN über die Verurteilung der Eingliederung der LVR, der DVR und der Gebiete Cherson und Saporoschje in die Russische Föderation enthielten. Borrell kündigte außerdem an, man werde die russische Armee "vernichten", falls Russland Nuklearwaffen in der Ukraine einsetzen sollte.

Nach Ansicht des Diplomaten müsse sich auch die Arbeit in der Außenpolitik ändern, da man nicht mehr klar trennen könne, was äußere und was innere Angelegenheiten seien. In einem Punkt sei die EU nach Ansicht Borrells dem Rest der Welt allerdings voraus:

"Es gibt einen großen Unterschied zwischen Europa und dem Rest der Welt – nun, dem Rest der Welt, Sie verstehen, was ich meine, oder? – ist, dass wir starke Institutionen haben. Das Wichtigste für die Lebensqualität der Menschen sind Institutionen. Der große Unterschied zwischen entwickelten und nicht entwickelten Ländern liegt nicht in der Wirtschaft, sondern in den Institutionen."

So habe man eine "unabhängige Justiz", "Systeme zur Verteilung der Einnahmen" und "Wahlen, die den Bürgern eine freie Wahl ermöglichen". Borrell verwies allerdings auch darauf, dass es schwierig sei, die nach seiner Sicht nötigen Institutionen im großen Teil der "übrigen Welt" aufzubauen.

"Institutionen, darauf kommt es an. Es ist sehr schwierig, Institutionen aufzubauen. Wir können eine Straße bauen. Wir können mit einem Bulldozer, mit Geld und Arbeitern losziehen und eine Straße bauen. Ich kann nicht in die Schwellenländer gehen und Institutionen für sie aufbauen – sie müssen von ihnen aufgebaut werden. Andernfalls wäre das eine Art Neokolonialismus." 

Inwiefern sich das "Engagement" im "Dschungel", das er zum Beginn seiner Rede gefordert hatte, von einer Politik des Neokolonialismus unterscheidet, ließ Borrell jedoch offen.

In Bezug auf die neue diplomatische Akademie erklärte Borrell den Zuhörern, dass man sich erheben und "über die nationale Identität hinausgehen müsse". Man müsse sich daran erfreuen, "eine andere Identität zu haben, nämlich die europäische". Diese stehe laut Borrell jedoch nicht im Widerspruch zur früheren Identität. Die Geschichte Europas sei eine der "Konfrontationen von Identitäten":

"Die Identität ist heute das eigentliche Schlachtfeld."

Identität könne als etwas Ausschließendes dargestellt werden. Das führe zu Konflikten und zum Krieg. Borrell zufolge sei es der EU hingegen gelungen, den "Kampf der Identitäten" zu überwinden: Heute bringe es die Menschen "nicht mehr gegeneinander auf, Deutsche oder Franzosen zu sein".

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