Kurz vorm Absaufen: Britische Marine ist nur noch ein Schatten ihrer selbst
Pleiten, Pech und Pannen – das wäre wohl die passendste Beschreibung für den Zustand der britischen Marine. Und die Liste der Fehltritte ist lang.
So hatte Anfang Februar das Flaggschiff der Royal Navy, der erst seit 2017 in Dienst stehende Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth, aufgrund technischer Probleme eine wichtige NATO-Übung verpasst. Zwei Wochen später die nächste Pleite: Die vom Atom-U-Boot HMS Vanguard abgefeuerte Trident-II-Rakete war kaum in der Luft, als sie den Weg Richtung Meeresgrund anvisierte. Der erste britische Atomwaffentest seit 2016 war somit krachend gescheitert.
Rekrutierungsziele seit über einem Jahrzehnt verfehlt
Neben den technischen Problemen ist es vor allem der akute Personalmangel, der der britischen Marine zu schaffen macht. Die Rekrutierungsziele können schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr erfüllt werden, weshalb zu Jahresbeginn zwei Kriegsschiffe ausgemustert wurden, da die nötige Besatzung nicht aufzutreiben war. Aus lauter Verzweiflung hat die Navy die Stellenausschreibung für einen U-Boot-Konteradmiral im Karrierenetzwerk LinkedIn platziert, was Angehörige der Marine als "äußerst beschämend" bezeichneten.
Für deren Verdruss sorgt zudem, dass inmitten der angespannten Personallage der "Woke Navy" nichts Besseres einfällt, als Offiziere in Teams für "Vielfalt und Integration" zu versetzen. Personalmangel war laut Medienberichten auch der Grund, warum die beiden Flugzeugträger der Royal Navy im Januar nicht ins Rote Meer zum Einsatz gegen die Huthis entsandt wurden ‒ abgesehen von ihrer technischen Tüchtigkeit.
Neben der HMS Queen Elizabeth, auf der im März während Reparaturarbeiten ein Feuer ausbrach, ist die HMS Prince of Wales der zweite Flugzeugträger, über den die britische Marine noch verfügt. Er absolvierte erst 2019 seine Jungfernfahrt ‒ und wie Ende 2022 bekannt wurde, hatte er bis dahin mehr Zeit im Dock verbracht als auf dem Meer. Und daran hat sich nicht viel geändert, weshalb sich der britische Staatsminister für Sicherheit Thomas Tugendhat bereits öffentlich beschwerte. Das US-Magazin The National Interest sprach jüngst im Zusammenhang mit den beiden Flugzeugträgern folgerichtig von einem "nicht endenden Alptraum".
Der Verteidigungsausschuss des Unterhauses fasste die zahlreichen Probleme der Navy im Februar in einem Bericht zusammen ‒ die sich jedoch schon seit Jahren abgezeichnet haben. Beispielhaft für den Niedergang der Royal Navy ist die symbolträchtige Einstellung von Patrouillen mit großen Kriegsschiffen rund um die Falklandinseln.
Unterstützungsflotte nur bedingt einsatzbereit
Aber es kommt noch dicker: Wie The Telegraph am Dienstag berichtete, befindet sich die Hilfsflotte der Royal Navy in einem "noch schlimmeren Schlamassel". Die Rede ist von der Royal Fleet Auxiliary (RFA), deren Aufgabe es ist, die Royal Navy auf dem Meer mit Nachschub zu versorgen:
"Die RFA hat 13 Schiffe und rund 1.700 Seeleute, die sie unterstützen. Ihre Hauptaufgabe ist die logistische Unterstützung der Royal Navy auf See. Die RFA stellt Tankschiffe zur Verfügung, mit denen die Kriegsschiffe Seiner Majestät auftanken können, und Versorgungsschiffe, von denen sie Munition, Lebensmittel und andere lebenswichtige Güter beziehen können."
Wie die Zeitung weiter berichtet, lässt sich die RFA in vier Gruppen unterteilen. Die Erste besteht aus den Tankern. Doch drei der sechs Schiffe befinden sich aufgrund Personalmangels in der sogenannten "erweiterten Bereitschaft", die Hälfte der RFA-Tankerflotte ist also praktisch nicht einsatzbereit.
Die zweite Gruppe umfasst nur das Flottenversorgungsschiff Fort Victoria, das ebenfalls in "erweiterter Bereitschaft" verharrt. "Eigentlich sollte sie sich auf den Einsatz der Carrier Strike Group im nächsten Jahr vorbereiten, aber sie tut es nicht. Es gibt viele, die der Meinung sind, dass sie nie einsatzbereit sein wird", bilanziert The Telegraph.
Die dritte Gruppe umfasst drei amphibische Angriffsschiffe der Bay-Klasse. "Der ursprüngliche Gedanke war, dass diese Schiffe eine etwas sicherere Aufgabe erfüllen würden als die amphibischen Schiffe der Royal Navy selbst. Sie sollten die zweite Welle der amphibischen Kräfte anlanden, nachdem die eigentliche Marine die erste Welle abgesetzt hatte." Doch da sich die beiden amphibischen Angriffsschiffe der Royal Navy ebenfalls in "erweiterter Bereitschaft" befinden, muss die RFA eventuell als Lückenbüßer einspringen, anstatt ihre eigentliche Aufgabe zu erfüllen.
Und die vierte Gruppe umfasst noch das Seeüberwachungsschiff RFA Proteus sowie das Minenabwehrschiff Stirling Castle, und die beide, "obwohl sie nur eine Besatzung von 20 bis 30 Mann benötigen, Schwierigkeiten haben, ihre volle Einsatzfähigkeit zu erreichen".
RFA-Seeleute stimmen für Streik
Eine weitere Hiobsbotschaft ist dem Umstand geschuldet, dass die RFA-Seeleute Zivilisten sind und nicht der Royal Navy angehören ‒ und mit entsprechenden Rechten ausgestattet und nicht geneigt sind, die Reallohneinbußen der letzten Jahre weiter hinzunehmen: 79 Prozent der Mitglieder einer Gewerkschaft, die Hunderte von RFA-Offizieren vertritt, stimmten für einen Streik, sollten die Bemühungen um bessere Gehaltsvereinbarungen scheitern.
Sollte es zum Streik kommen, hätte dies "eine unmittelbare Auswirkung auf die weltweiten Militäroperationen des Vereinigten Königreichs", wie Sky News berichtete. Und auch die NATO wäre betroffen, stellen die Briten doch immerhin ein Viertel der maritimen Kräfte der Allianz.
Von Überlegungen, die RFA in die Royal Navy formell einzugliedern, um somit Streiks verhindern zu können, hat man in Großbritannien schnell wieder Abstand genommen. Denn es steht zu befürchten, dass viele Seeleute der Unterstützungsflotte den Arbeitgeberwechsel nicht mitmachen würden ‒ was die Personalnöte der Royal Navy nur noch weiter befördern würde.
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