Neue Hausärzteverordnungen für Paxlovid – Kritik für Lauterbach als Pharmalobbyist
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) informierte am Freitag darüber, dass ab sofort auch Hausärzte das vom Pharmakonzern Pfizer gegen SARS-CoV-2 wirkende Medikament mit dem Handelsnamen Paxlovid® zur oralen Behandlung von COVID-19-Erkrankungen auch direkt an ihre Patienten abgegeben können. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) meldete sich diesbezüglich auf Twitter:
"Ab sofort dürfen Hausärzte das antivirale Medikament Paxlovid selbst dem Patienten abgeben, auch ohne Gang zur Apotheke. Beim Hausbesuch oder in der Praxis."
Ab sofort dürfen Hausärzte das antivirale Medikament Paxlovid selbst dem Patienten abgeben, auch ohne Gang zur Apotheke. Beim Hausbesuch oder in der Praxis. Paxlovid senkt bei Älteren die Corona Sterblichkeit um bis zu 90%. Es wird viel zu wenig genutzt. https://t.co/OPXzmzQl0I
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) August 21, 2022
Paxlovid senke bei Älteren die Corona-Sterblichkeit um bis zu 90 Prozent, wusste der Gesundheitsminister. Es werde "viel zu wenig genutzt". In einem weiteren Tweet schlug Lauterbach außerdem vor:
"Weiterer Tipp für Ältere oder deren Kinder/Freunde: wenn Symptome und Schnelltest eindeutig kann der Hausarzt per Anruf die COVID Diagnose stellen. Hausärzte sind dafür Profis. Auf telefonische Verordnung kann dann der Bote das Medikament vorbei bringen. Das kann Leben retten."
Weiterer Tipp für Ältere oder deren Kinder/Freunde: wenn Symptome und Schnelltest eindeutig kann der Hausarzt per Anruf die COVID Diagnose stellen. Hausärzte sind dafür Profis. Auf telefonische Verordnung kann dann der Bote das Medikament vorbei bringen. Das kann Leben retten. https://t.co/8QqWfKeW5D
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) August 21, 2022
Der Einsatz dieses Medikaments ist jedoch umstritten. So zeigte sich in Studien, dass sich Paxlovid bei COVID-19-Patienten mit einem hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zwar bewährte. Weniger gefährdete Patienten profitierten jedoch kaum davon. Auch in den Sozialen Medien erntete Lauterbach deshalb Kritik. So schrieb ein Nutzer auf Twitter:
"Es reicht, Herr Lauterbach! Sind Sie Pharmavertreter für Pfizer oder Gesundheitsminister? Es ist wirklich mittlerweile peinlich, wie Sie Werbung für dieses Unternehmen machen."
Ein anderer Nutzer schrieb:
"Sie sind wirklich der Mitarbeiter des Jahres bei Pfizer und am besten wäre es sogar noch, wenn Sie Paxlovid direkt beim Kunden ausliefern würden."
Hintergrund der Kritik ist, dass die Bundesregierung seit Januar 2022 eine Million Therapieeinheiten des Medikaments für Hunderte Millionen Euro Steuergeld bestellt hat, zum Einsatz kam es bisher aber kaum. Da das ohnehin in der EU seit Januar nur bedingt zugelassene Medikament eine Haltbarkeit von einem Jahr hat, könnten mindestens die ersten Tabletten 2023 im Müll landen. Lauterbach plante daher mit Hausärzten ein System vorbereiten, um "diese viel zu seltene COVID-Lebensrettung regelmäßiger einzusetzen". Hausärzte erhalten für ihre Abgabe von Paxlovid zudem 15 Euro Vergütung pro verordneter und abgegebener Packung.
Lauterbachs Werbung für das Pfizer-Medikament steht bereits seit geraumer Zeit in der Kritik – und zwar nicht nur in den Sozialen Medien. Als er während seiner jüngsten eigenen COVID-19-Infektion auf Twitter bekannt gab, dass er trotz seiner Vierfach-Impfung auch noch Paxlovid als Unterstützung zu sich nehme, war dies für den Chefredakteur der ÄrzteZeitung Anlass für einen Leitartikel mit dem Titel "Lauterbachs Paxlovid®-Tweet – ein Bärendienst für die evidenzbasierte Medizin".
In diesem Artikel wird darauf hingewiesen, dass "jeder das Recht habe, Arzneimittel zu schlucken" oder sich "die x-te Auffrischung einer Schutzimpfung zu verabreichen". Daher sei es Lauterbach auch nicht verboten, dass er Paxlovid nehme, sofern er es privat mache. Dies tat er bekanntermaßen jedoch nicht. Da Lauterbach als Gesundheitsminister auch eine Person der Zeitgeschichte ist, sei dies problematisch. So sei es kritisch zu sehen, wenn ein "exponierter und in weiten Teilen der Bevölkerung so angesehener Dr. med." anhand der eigenen Erkrankung quasi eine Therapieempfehlung gebe:
"Wozu brauchen wir noch die Arzneimittelbehörden, die nach möglichst umfassenden klinischen Prüfungen Indikationen vorgeben (hier: 'für Erwachsene mit einem erhöhten Risiko, eine schwere COVID-19 zu entwickeln')?
Wozu gibt es Fachgesellschaften wie die DGIIN, die DGI, die DGP, die DIVI oder Expertengremien wie COVRIIN oder die STAKOB, die sich in tage- und wochenlanger, meist ehrenamtlicher Arbeit die Mühe machen, die vorliegende Evidenz zu sichten und Therapieempfehlungen zu entwickeln? Wozu, wenn es eh jeder macht, wie er will?!"
Gesundheitsaufklärung sei komplexer, als einen persönlichen Tweet abzusetzen. Das Heilmittelwerbegesetz setzte aus guten Gründen Grenzen für Aussagen beispielsweise über Therapien. Ähnlich sei es mit der STIKO, die Lauterbach vor sich hertreibe.
"Hängen bleiben dürfte bei nicht wenigen Menschen, darunter auch Fachleuten, dass evidenzbasierten Empfehlungen nur bedingt zu trauen ist, dass die Methoden der EbM [Evidenzbasierte Medizin] zu langwierig und – wenigstens in einer Pandemie – unprofessionell sind."
Damit erweise Lauterbach ausgerechnet den Errungenschaften der Evidenzbasierten Medizin "einen Bärendienst".
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