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Russische Kriegsverbrechen? Wie eine anti-russische Medienkampagne koordiniert wurde

Im Spiegel ist ein Artikel über einen angeblichen russischen Soldaten erschienen, der von Kriegsverbrechen der russischen Armee erzählt. Was Spiegel-Leser nicht erfahren, ist, wie und von wem diese Geschichte koordiniert wurde.
Russische Kriegsverbrechen? Wie eine anti-russische Medienkampagne koordiniert wurde© Screenshot: Spiegel.de

Von Thomas Röper

Im Spiegel ist ein langer Artikel mir der Überschrift "Russischer Offizier beschuldigt eigene Truppen der Folter – 'Ich empfinde Reue, aber es gab keine Möglichkeit zu helfen'" erschienen, in dem ein angeblicher ehemaliger russischer Soldat ausführlich über angebliche Kriegsverbrechen der russischen Armee berichtet. Er will nach eigenen Angaben Zeuge von Folter und Plünderungen durch russische Soldaten gewesen sein.

Die Geschichte hat mindestens zwei Haken: Erstens weiß ich aus eigenem Erleben, dass zumindest Teile seiner Geschichte frei erfundene Lügen sind. Zweitens verschweigt der Spiegel, dass es sich bei der Geschichte um eine international koordinierte Medienkampagne handelt.

Die Lügen

In dem Spiegel-Artikel lesen wir:

"Er sei mit seinem Trupp zuerst nach Melitopol im Gebiet Saporischschja geschickt worden, als Nachhut. Damals, Ende Februar, sei noch in der Stadt gekämpft worden (…) In der Ukraine will er neben all der Gewalt auch Plünderungen beobachtet haben. Diese Schilderungen decken sich mit bisherigen Berichten über das Verhalten russischer Soldaten in besetzten ukrainischen Gebieten. 'Unsere Soldaten haben schon in Melitopol jeden Ramsch aus den Häusern der Ukrainer mitgenommen, in die Fahrzeuge gestopft. Es herrschte völlige Anarchie, niemand von der Militärführung hat eingegriffen'. Andernorts hätten russische Soldaten aus einem Lager für Haushaltsartikel Windeln, Puder und Seife gestohlen, Geldautomaten und Juweliergeschäfte seien reihenweise geplündert worden.

Soldaten hätten ukrainischen Bewohnerinnen und Bewohnern Waffen vorgehalten, sie verprügelt, um ihnen ihre Autos abzunehmen. Keiner der Vorgesetzten habe etwas dazu gesagt, dass ihre Männer plötzlich zu Dutzenden mit ukrainischen Privatautos herumfuhren. 'Das galt als normal, die Kommandeure haben selbst Fahrzeuge und Traktoren auf die Krim und nach Russland geschafft.' Einmal hätten Soldaten zwei Toyota Land Cruiser 200 und einen Toyota Pick-up gestohlen, hätten sie mit Z-Zeichen beklebt und seien damit Rennen gefahren. Andere hätte Koi-Fische aus einem Teich in einem Garten geholt und gebraten."

Ich war auf meiner ersten Reise in das Konfliktgebiet Mitte März 2022 einen ganzen Tag in Melitopol und konnte dabei frei mit hunderten Menschen sprechen. Dabei habe ich auch Menschen gesprochen, die gegen die russische Intervention waren und die russischen Soldaten, die zu unserem Schutz dabei waren, wüst beschimpft haben. Von Angst vor den russischen Soldaten, sie könnten jemanden für die Beschimpfungen und anti-russischen Parolen bestrafen, verhaften oder gar foltern war nichts zu sehen, im Gegenteil.

Angst hatten damals diejenigen, die die russische Intervention unterstützt haben, weil sie die Rückkehr der ukrainischen Armee und Racheakte befürchtet haben. Den ausführlichen Artikel über meinen ersten Tag in Melitopol finden Sie hier.

Auch danach waren ich und auch andere Journalisten, die ich gut kenne, noch oft in Melitopol. Aber kein Mensch dort hat irgendetwas von Plünderungen oder Folterungen durch russische Soldaten erzählt. Im Gegenteil: Auch diejenigen, die offen gegen die russische Intervention sind, hatten und haben am Verhalten der russischen Soldaten nichts auszusetzen.

Melitopol ist eine normale Stadt, in der das Leben seinen normalen Gang geht, jeder kann dort hinfahren, jeder kann die Stadt verlassen. Es hat in ihr keine nennenswerten Kampfhandlungen gegeben und es war kaum ein Fenster kaputt, als ich im März 2022 dort gewesen bin. Heute sieht es schon ein wenig anders aus, denn die Stadt wird immer wieder von der ukrainischen Armee beschossen.

Wie sehr der Bericht des angeblichen russischen Soldaten, über den der Spiegel berichtet, gelogen ist, wird deutlich, wenn man die Episode aus meinem oben verlinkten Artikel über den Anhalter liest. Von Angst der Menschen, die russischen Soldaten könnten jemanden ausplündern, berauben, zusammenschlagen, festnehmen oder foltern, kann wirklich keine Rede sein.

Die Medienkampagne

Als ich für meinen Artikel über die Sprengung von Nord Stream auf der Seite der britischen Times den Artikel über die Nord-Stream-Sprengung gesucht habe, habe ich eine zufällige Entdeckung gemacht. Auch die Times hat einen ausführlichen Artikel über den angeblichen russischen Soldaten veröffentlicht.

Da bin ich neugierig geworden, denn der Spiegel hat seinen Artikel so formuliert, als habe er exklusiv mit dem Soldaten gesprochen. Das gleiche gilt auch für den Artikel der Times. Und wenn man sich anschaut, wann die beiden Artikel erschienen sind, dann ist das praktisch gleichzeitig geschehen. Das bedeutet, dass die Geschichte um den angeblichen russischen Soldaten eine international koordinierte Medienkampagne ist, die zeitglich von führenden Medien westlicher Länder veröffentlicht wurde.

Wer hat die Kampagne gesteuert?

Da stellt sich die Frage, wer die Medienkampagne gesteuert hat. In beiden Artikeln kann man Hinweise darauf finden, denn beide erwähnen die NGO gulagu.net. Bei der Times steht am Ende des Artikels der Hinweis "Mit Hilfe von gulagu.net" und beim Spiegel kann man am Ende des Artikels lesen:

"'Ich bin sicher, dass seine Aussage in Den Haag gehört werden sollte', sagt Gulagu.net-Gründer Wladimir Ossetschkin dem SPIEGEL. Mehr als 20 Soldaten will er bereits mit seiner Organisation raus aus Russland in alle Welt gebracht haben. 'Jefremow ist der erste russische Offizier, der aussagen will, und hoffentlich nicht der Letzte'."

Gulagu.net ist eine kleine Webseite, die so wenig Klickzahlen hat, dass ich mit den gängigen Analysetools keine Angaben dazu finden konnte. Sie gehört einer NGO mit Sitz in Frankreich, die von Wladimir Ossetschkin gegründet wurde, der früher die russische Politik und die Anti-Maidan-Bewegung unterstützt hat, dann aber mit dem Gesetz in Konflikt geraten und wegen Betrugs angeklagt wurde, weshalb er aus Russland nach Frankreich geflohen ist, wo er in nicht gerade bescheidenen Verhältnissen Biarritz leben soll.

Über die Finanzierung von gulagu.net konnte ich nichts finden, die Organisation gibt keine Auskünfte über ihre Partner oder Finanziers. Daher stellt sich die Frage, wer hinter gulagu.net steht und so gute Verbindungen hat, dass er eine Medienkampagne international koordinieren kann. Auf diese Frage habe ich bisher keine Antwort gefunden, vielleicht weiß die Schwarmintelligenz meiner Leser etwas darüber.

Russische Kriegsverbrechen?

Hinzu kommt, dass es bemerkenswert ist, dass die westlichen Medien nur so wenige Zeugen für angebliche russische Kriegsverbrechen vorweisen können. In der Ukraine wurde zwar gemeldet, russische Soldaten würden massenhaft Vergewaltigungen begehen, aber die Opfer wurden der Öffentlichkeit nie präsentiert. Kein Wunder, denn wie sich später herausstellte, waren alle Meldungen über Vergewaltigungen durch russische Soldaten frei erfunden.

In Russland hingegen sind inzwischen tausende Kriegsverbrechen durch die ukrainische Armee dokumentiert, wobei die Namen der Opfer öffentlich sind und alles in Bild und Ton festgehalten wurde. Ich kenne einen der Organisatoren der zivilgesellschaftlichen Initiative, die sich die Dokumentierung der ukrainischen Kriegsverbrechen zur Aufgabe gemacht hat und werde darüber irgendwann berichten, wenn die Informationen auch in anderen Sprachen als Russisch verfügbar sind.

Aktuell haben die Organisatoren auf der russischen Videoplattform rutube eine Playlist mit einer Auswahl von etwa 100 Videos mit Zeugenaussagen über ukrainische Kriegsverbrechen hochgeladen, die mit englischen Untertiteln versehen wurden. Auf Russisch gibt es jedoch weit mehr Material in Bild, Ton und auch Originaldokumente aus der Ukraine, die systematische Kriegsverbrechen der ukrainischen Armee bezeugen.

Thomas Röper ist Herausgeber und Blogbetreiber der Webseite Anti-Spiegel. Dieser Artikel wurde zuerst am 2. Februar auf Anti-Spiegel veröffentlicht.

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