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Havanna-Syndrom: Weißes Haus widerspricht Spiegel ‒ Deutsche Medien fabulieren unverdrossen weiter

Laut einer Recherche des Spiegel soll Russland durch den Einsatz geheimer Waffen für das Havanna-Syndrom verantwortlich sein. Das Weiße Haus zeigt sich davon jedoch nicht überzeugt und widerspricht dieser Darstellung. Indes spekulieren deutsche Medien munter weiter über Spuren, die angeblich in den Kreml führen.
Havanna-Syndrom: Weißes Haus widerspricht Spiegel ‒ Deutsche Medien fabulieren unverdrossen weiterQuelle: www.globallookpress.com © Michael Reynolds/Pool via CNP

Das Weiße Haus hat Medienberichten widersprochen, wonach Russland für das sogenannte "Havanna-Syndrom" verantwortlich sei. Dieses trat erstmals im Jahr 2016 bei Diplomaten und Angehörigen der US-Botschaft in Kubas Hauptstadt Havanna auf. Sie klagten über unspezifische Beschwerden wie Schwindel, Kopfschmerzen, Hörverlust oder Übelkeit. Später traten diese Symptome auch bei US-Diplomaten in anderen Ländern auf, darunter in Deutschland und Österreich.

Insgesamt haben sich bislang rund 1.500 von dem Syndrom potenziell Betroffene bei den US-Behörden gemeldet. Lange wurde spekuliert, ob dahinter gezielte Angriffe stecken, bei denen Ultraschall- oder sogar Mikrowellenwaffen zum Einsatz kamen ‒ und immer wieder wurde dabei mit dem Finger auf Russland als möglichen Urheber gezeigt. 

Anfang März gelangten die US-Geheimdienste nach einer intensiven Untersuchung zu der Erkenntnis, dass das Havanna-Syndrom nicht durch Geheimwaffen eines "ausländischen Gegners" verursacht wurde. 

Eine am Wochenende veröffentlichte gemeinsame Recherche von SpiegelThe Insider und 60 Minutes kommt allerdings zu einem anderen Schluss. Demnach führt die Spur doch nach Moskau. Als Beweis wird auf eine Auswertung von Geolokalisierungsdaten und Telefonverbindungen verwiesen, laut der sich mehrfach Mitglieder einer Einheit des russischen Militärgeheimdienstes GRU an Orten befunden haben, an denen kurz darauf US-Diplomaten oder deren Angehörige über gesundheitliche Beschwerden klagten.

In Washington zeigt man sich von dieser "Beweisführung" nicht überzeugt. "Die Geheimdienste sind nicht zu diesem Schluss gekommen", bekräftigte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, nachdem sie von einer Journalistin zu der Spiegel-Recherche und der angeblichen Beteiligung Russlands befragt wurde. Sie verwies auf die intensive forensische Untersuchung der US-Dienste und betonte: "Wir haben das sehr ernst genommen."

Die US-Dienste gehen davon aus, dass die gemeldeten Beschwerden wahrscheinlich das Ergebnis von Vorerkrankungen, anderer Krankheiten oder Umweltfaktoren sind. Auch Moskau wies die Darstellung des Spiegel zurück. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach von einer "unbegründeten Anschuldigung":

"Sie wissen, dieses Thema ist keineswegs neu. Seit vielen Jahren wird die Frage des sogenannten Havanna-Syndroms von den Medien aufgegriffen. Und von Anfang an war es irgendwie mit Anschuldigungen gegen die russische Seite verbunden, aber niemand hat jemals diese unbegründeten Anschuldigungen überzeugend belegt."

Doch das Dementi aus dem Weißen Haus hat den Berichten deutscher Medien keinen Abbruch getan, die weiterhin mit allen Mitteln die Spur nach Moskau zu legen versuchen. So griff heute die Bild-Zeitung die Spiegel-Recherche auf, um daraus im Sinne einer Tatsachenbehauptung die Schlagzeile zu basteln: "Mysteriöse Schall-Attacken ‒ Putins Spezial-Agenten griffen zuerst Deutschland an." 

"Putins unsichtbare Waffe – Die Wehrlosigkeit des Westens gegen das Havanna-Syndrom" lautete dagegen der Titel eines heutigen Berichts in der Welt, der zugleich die Warnung enthielt, dass "der Kreml in diesem Jahr zwei entscheidende Ereignisse ins Visier" nehme ‒ gemeint sind die Wahlen in der EU und den USA.

In keinem der beiden Artikel aus dem Hause Springer wird das Dementi aus Washington erwähnt. Beim ZDF gab man sich nicht diese journalistische Blöße und vermeldete korrekt, dass die USA eine russische Verwicklung für unwahrscheinlich halten. Dafür brachte der öffentlich-rechtliche Sender einen weiteren vermeintlich verdächtigen Vorfall ins Spiel:

"Nato-Gipfel im litauischen Vilnius vergangenes Jahr: Ein hochrangiger Beamter des US-Verteidigungsministeriums klagt über gesundheitliche Probleme. Seine Symptome ähneln denen des sogenannten 'Havanna-Syndroms'."

Nach Angaben litauischer Medien nahmen rund 5.000 Personen an dem Gipfel teil. Dass einer davon über Symptome wie Schwindel, Kopfschmerzen oder Übelkeit klagte, kann doch nur an einer russischen Geheimwaffe gelegen haben ‒ zumindest, wenn man der bestechenden Logik des ZDF folgen will. 

Mehr zum Thema ‒ Havanna Syndrom und die Spur nach Moskau: Wie der Spiegel einer toten Theorie neues Leben einhaucht

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