Meinung

Im Einsatz für oder gegen die Freiheit? Die neue Bundeswehr-Werbung

Dieses Jahr machte die Bundeswehr gleich massenhaft kurze Filmchen, in denen ausgewählte Soldaten ihre Motivation erklären sollen. Herausgekommen ist eine Mischung aus unklarer Drohung und leerem Gerede von "Freiheit". Kein Wunder, ist die eigentliche Aufgabe doch abhandengekommen.
Im Einsatz für oder gegen die Freiheit? Die neue Bundeswehr-Werbung© Screenshot: www.karrierekaserne.de

von Dagmar Henn

"Wir setzen uns dafür ein, dass alle in Freiheit leben und unsere Kinder unbeschwert aufwachsen können." Das steht auf der Webseite der neuesten Werbekampagne der Bundeswehr. Brav quotiert, bunt und ganz harmlos. Der Einstiegsclip aber hinterlässt ein ungutes Gefühl – eine junge Mutter, die in Uniform ihr Kind umarmt und sagt: "Für meine Großen und unser Zuhause", dann der ITler, der breitbeinig vor einem Kiosk steht und "Für die Sicherheit der Information in Deutschland" sagt, der Panzergrenadier, der mit Rucksack durch eine Fußgängerzone geht und erklärt: "Für ein Land, in dem wir alle unbeschwert leben können", und dann Soldaten, die aus einem Mannschaftstransporter springen und martialisch mit Gewehr im Anschlag durch ein Kieferwäldchen laufen.

Es ist zu nah. Es ist hier. Und das ungute Gefühl ist der Tatsache zu verdanken, dass schon wieder daran gearbeitet wurde, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen. In ebendiesem Inneren, in dem die Darsteller in Uniform unterwegs sind. "Für die Sicherheit der Information in Deutschland" – bei so einem Satz denkt jeder, der sein Denken nicht auf das Angebot des Mainstreams beschränkt, an Zensur. "Für meine Großen und unser Zuhause": Wovon soll dieses Zuhause bedroht sein? Von den Sanktionsfolgen vielleicht, von den explodierenden Energiepreisen, von Zwangsmaßnahmen, die mit dem Infektionsschutzgesetz begründet werden? Ja, all das ist eine Bedrohung. Aber die Bundeswehr ist damit befasst, die Zwangsmaßnahmen durchzusetzen – dafür wurde sie bereits eingesetzt –, und womöglich auch noch Proteste gegen die anderen Bedrohungen niederzuschlagen. Dafür jedenfalls wurden gerade erst das Inlandskommando ausgebaut und fünf "Heimatschutzkompanien" geplant.

Und dann sind die anderen Bilder, die durch den Kopf gehen. Reale, unzensierte, aktuelle. Diese ganzen jungen Leute, die in den Filmchen in Szene gesetzt werden, wissen sie, wie das wirklich aussieht? Wissen sie, was die politische Führung dieses Landes gerade mit anderen jungen Leuten wie ihnen geschehen lässt, ein paar Länder weiter, im Namen derselben Phrasen, mit denen sie ihre Köpfe vor die Kamera halten?

"Was Freiheit für mich bedeutet, dass jeder sein kann, so wie er ist, ohne dafür Nachteile erleiden zu müssen", sagt Panzergrenadier Erik, der die Migrationshintergrundsquote erfüllt. "Weil es aus meiner Sicht uns sehr gut geht in Deutschland. Es muss keiner bangen um sein Leben. Das ist es alles wert, verteidigt zu werden." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck arbeitet gerade daran, das mit dem "gut gehen" zu ändern; das mit dem ums Leben bangen wird dann vermutlich automatisch nachgeliefert. Wo will er also das gute Leben verteidigen? In Berlin gegen die Bundesregierung? So ist das sicher nicht gemeint. Also wo?

Dort, wo in der Ukraine seine Generation gerade verheizt wird? Da kann er sehen, wie so ein Panzer aussieht, wenn er Besuch von einer Ladung thermobarischer Munition erhalten hat. Rostrot ist er, und der Turm liegt zehn Meter daneben. Den Insassen hat man auch Liedchen von der Freiheit vorgesungen, Europa, Werte und so, und sie dann acht Jahre lang gegen die eigenen Landsleute in den Krieg geschickt.

Jennifer heißt die Materialdisponentin. "Helfen, Sicherheit bringen, damit unsere Familie, Freunde und unsere Kinder in Sicherheit aufwachsen dürfen." Das klingt schon wieder so, als wäre diese Sicherheit bedroht. "Ich mache das dafür, dass wir weltweit unsere Einsätze fliegen können." Schön formuliert. Stammt ja auch von einer Werbeagentur. Brücken in Belgrad bombardieren beispielsweise? "Ich bin froh, von dieser Basis aus unterstützen zu dürfen, dass wir direkt vor Ort etwas bewirken können. (…) Was ich persönlich schützen möchte, ist unsere Freiheit."

Augenblicklich ist die Bundeswehr im Kosovo, in Jordanien und dem Irak, in Mali, im Libanon, in Bosnien-Herzegowina, im Südsudan und in der Westsahara unterwegs. Dazu kommen noch die Soldaten, die in den baltischen Staaten sind, immer schön im Kreislauf, und wer weiß, wie viele in der Ukraine unterwegs sind, um beim Gebrauch der großzügig gelieferten Waffen zu helfen. Und aus der Sicht des größeren Teils der Welt sind das vor allem Einsätze gegen die Freiheit. Die Freiheit der Länder nämlich, in denen diese Soldaten eingesetzt werden.

Diese Freiheit. Dieser nebulöse Begriff. Wann und wo hat die Bundeswehr jemals Freiheit verteidigt? Und wenn, dann wessen Freiheit wozu? Nun, der Waffenleitmeister der Marine wird da konkreter. Die Südfrüchte. Er ist stolz, dass man das ganze Obst auf den Märkten kaufen kann, weil die Marine die Handelswege schützt … Nur, von Piratenüberfällen auf Bananenfrachter war noch nirgends die Rede. "Dass meine Tochter zur Schule gehen kann, dass wir immer ärztliche Versorgung haben."

Wirklich, man möchte ihnen raten, sich politisch zu bilden. Das mit der ärztlichen Versorgung bricht gerade weg. Das mit der Schule? Mal sehen, was davon zwischen Masken und kalten Klassenzimmern im Winter noch bleibt. Mag ja sein, die Werbeagentur war einfach unvorsichtig und hat nicht bedacht, was im letzten halben Jahr in Deutschland so geschehen ist, aber wenn man ärztliche Versorgung und geordneten Schulunterricht verteidigen will, dann geht das eher nicht mit der Bundeswehr; außer, man plant einen Militärputsch. Oder so etwas wie eine gewaltsame Besetzung und Inbetriebnahme von Nord Stream 2. "Freiheit, Demokratie. Definitiv. Jeder muss sagen können, was er denkt, was für ihn wichtig ist." Ach ja. Wäre das nur so. Ich sage nur "Z".

Petra, die Kampfpilotin. "Ich persönlich stehe vor allem für die Sicherheit, dass jeder Bürger frei in seinem Land leben kann, genauso wie die Gleichberechtigung der Geschlechter, dass jeder seine Meinung vertreten kann, seine Meinung ausleben kann, genauso wie seine Ziele verwirklichen kann."

Wenn man den Aussagen zuhört, ist kaum ein Unterschied zum Niveau der aktuellen politischen Kommunikation in Deutschland zu erkennen, alles klingt nach Werbeagentur. Auch da geht es stets um eine nebulöse "Freiheit". Die immer lauter betont wird, je weniger sie sich konkret erfahren lässt. Und man hat den Eindruck, es gäbe eine Anordnung der Bundesregierung, dass niemand intelligenter wirken darf als Außenministerin Annalena Baerbock.

Was diese Bundeswehr tatsächlich tut, taucht ebenso wenig auf wie das, was sie tun sollte. Es ist weder die Rede von Auslandseinsätzen, die immerhin für jeden, der sich darauf einlässt, Pflicht sind, noch ist die Rede davon, was eine Armee eigentlich verteidigen sollte – Souveränität.

Zugegeben, das wäre auch, wie im Haus des Gehenkten vom Strick zu reden. Schließlich wurde sie von der gegenwärtigen Regierung vor nicht allzu langer Zeit im Interesse dieser "Freiheit" (oder doch eher im Interesse der Vereinigten Staaten) entsorgt.

Aber bei aller Sorgfalt, nur ja kein heikles Thema anzusprechen, schaffte es die Werbeagentur doch nicht, alle Worte zu vermeiden, die in Konflikt mit der Wirklichkeit geraten. Es überkommt einen immer wieder dasselbe Gefühl, ob es um die Meinungsfreiheit geht, um die medizinische Versorgung oder selbst um die Südfrüchte – alles davon ist bedroht, nur die Bundeswehr hilft dabei nicht. Weil es eben die eigene Regierung ist, die die Bedrohung darstellt.

Stattdessen dieses Video zur Einführung, das das Gefühl vermittelt, diese Kerle im Kampfanzug, die durch das Kieferwäldchen laufen, stünden demnächst vor der eigenen Haustür. Da bleibt dann nur ein Trost: Sollten diese Filmchen tatsächlich das Niveau an Reflexion und Verstand wiedergeben, das in der Bundeswehr vorherrscht, muss man sie nicht allzu sehr fürchten.

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