Meinung

Die NATO und die Granateninflation

Ja, Rüstungsindustrie lohnt sich derzeit wirklich im Westen. Vor allem, wenn man mitbekommt, wie sich die Stückpreise entwickeln. Aber die meisten Politiker glauben wohl, wenn man mehr Geld auf den Tisch legt, würden automatisch auch die Waren mehr …
Die NATO und die GranateninflationQuelle: www.globallookpress.com © Philipp Schulze

Von Dagmar Henn

Es ist wirklich interessant. Das letzte Mal, als es eine Großbestellung an 155-Millimeter-Granaten gab, damals war Rheinmetall der Nutznießer, ergab sich ganz nebenbei, durch einfaches Teilen des Gesamtbetrags durch die Menge, dass der Preis dieser Granaten von etwa 2.000 Euro pro Stück auf 3.500 Euro gestiegen war. Jetzt hat die NATO einen frischen Rahmenvertrag abgeschlossen, dieses Mal unter Beteiligung des deutschen Unternehmens Junghans, und der Preis ist seit Herbst weiter gestiegen – für 220.000 Granaten, die ohnehin frühestens in zwei Jahren geliefert werden, werden ganze 1,1 Milliarden Euro bezahlt. Das sind jetzt 5.000 Euro pro Stück.

Eine überraschende Entwicklung? Mitnichten, aber ein schlagkräftiger Beweis dafür, dass entweder die einfachsten wirtschaftlichen Kenntnisse fehlen, oder die ukrainischen Soldaten, die verheizt werden, nur der Kollateralschaden eines ökonomischen Raubzuges sind, dessen Hauptziel die Steuergelder der NATO-Länder sind.

Eigentlich ist es ganz einfach. Wenn es, sagen wir einmal, zehn Eier zu kaufen gibt, weil die Hühner schlicht nicht mehr legen, dann nützt es gar nichts, immer mehr Geld für den Kauf von Eiern bereitzustellen. Das hat genau eine, bestens bekannte und erwartbare Wirkung: Der Preis des einzelnen Eis steigt astronomisch, an der Gesamtmenge von Eiern ändert sich aber nichts, weil diese Beschränkungen unterliegt, die durch mehr Geld nur sehr begrenzt beeinflusst werden können (wie die Wachstumsphase vom Küken zur Henne beispielsweise).

Bei den Granaten verhält es sich genauso, und es nützt beispielsweise nichts, eine Produktionsstraße für mehr Granaten zu errichten, wenn das Fachpersonal, das ausgebildet ist, mit Sprengstoffen umzugehen und auf die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu achten, nicht vorhanden ist. Sicherheitsmaßnahmen heißt in diesem Fall nicht, die Meinungen der Granatendreher zu überprüfen (das macht "Correctiv" mit links), sondern Kenntnis darüber, wie man sich verhalten, wie die ganze Produktion aufgebaut werden und ablaufen muss, damit einem nichts um die Ohren fliegt. Und dieses Fachpersonal wächst nun einmal nicht auf Bäumen, und benötigt Jahre für die Ausbildung. Nur so als Beispiel.

Aber irgendwie ist bei der NATO immer noch nicht angekommen, dass all die vermeintlich großen Anstrengungen, die sie unternimmt, nichts nützen, weil man sich eine entsprechende Industrie nicht herbeiwünschen kann. Und die Sache mit dem Erdgas, das man zur Ammoniak-Herstellung braucht, den man wiederum … – ja, dass das außerordentlich dämlich war.

Das ist für den Rest der Welt wirklich gut, da darf man also im Grunde nicht meckern. Und seit auch noch der israelische Völkermord mit deutschen Granaten bestückt wird, ist die Nicht-Produktion die humanitärste Tat, die derzeit möglich ist. Trotzdem, den Granatenpreis mit viel öffentlichem Geschrei einfach mal zu verdoppeln, das ist schon eine Leistung. Normalerweise nimmt man ja an, dass Stückkosten bei höherer Produktion sinken. Die Russen können das sicher bestätigen, dass das auch heute noch so ist, aber die haben auch nicht jahrelang an einem tiefen Sumpf aus Politik und Rüstungsindustrie gearbeitet.

Es kann wirklich nur noch die Raffgier der Rüstungsindustrie sein, die dieses Spiel im Westen am Laufen hält; die klügste und sparsamste Reaktion wäre schon längst, einfach die Niederlage einzugestehen und zu versuchen, mit den neuen globalen Verhältnissen irgendwie sein Auskommen zu finden. Die 5.000 Euro pro Granate müssen sehr verlockend sein, oder die Möglichkeiten, irgendwo die gewünschten Gewinne zu machen, sind so schlecht, dass man jetzt nur noch eine Betrugsnummer nach der anderen zieht, Masken, Impfungen, Granaten …

Aus den USA gibt es übrigens auch eine hübsche neue Nachricht. Bloomberg berichtet, dass ein Ausschuss des US-Kongresses einen Vertrag mit RTX (früher Raytheon) in Höhe von 3,2 Milliarden Dollar auf Eis gelegt habe. Der Grund: Es ginge dabei um Luftabwehrraketen (!), die zur Verteidigung gegen Antischiffsraketen gedacht seien. Dabei sollten die gerade vor chinesischen "Flugzeugträgerkillern" schützen – was man dringend bräuchte, um in Taiwan zu zündeln.

RTX hätte von den im Jahr 2019 vereinbarten 625 Raketen erst die Hälfte geliefert. Der neue Vertrag sollte über die Lieferung von weiteren 825 Raketen gehen (deren Preis – nebenbei bemerkt – von 1,6 Millionen Dollar das Stück auf 3,8 Millionen gestiegen ist).

RTX erklärte, das hätte mit Lieferkettenproblemen zu tun, die seit Corona bis jetzt nicht behoben seien. Man habe Schwierigkeiten, die nötigen Motoren zu erhalten. Aber immerhin seien die Lieferungen in den vergangenen zwei Jahren etwas besser gelaufen. Jetzt arbeite RTX zusammen mit dem Pentagon und der US-Marine an alternativen Quellen für die Motoren.

Vielleicht sollten sie mal einer Anregung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen folgen und in Waschmaschinen suchen?

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